Wie alles begann ...

Es geschah am Freitag, den 14. Juni des Jahres 2001, als die verträumte Ostestadt Bremervörde ihr alljährliches Schützenfest begehen wollte. Der alten Tradition folgend sollten auch dieses Jahr die Festtage des Schützengesellschaft zu Bremervörde mit der Vogelrichtfeier eingeläutet werden. Und so machten sich wie im jeden Jahre die Schützenbrüder der Traditionsgruppe, eine Untergruppe der Gesellschaft, frohen Mutes mit Kutschen durch die Innenstadt auf den Weg, um das große Ereignis allen Bürgern der Stadt Kund zu tun.

 

Nach alter Sitte führten die Traditionellen auch in diesem Jahre den sagenumwobenen Traditionsschluck mit sich, der schon seit Jahren aus dem heiligen Gral verköstigt wird. Seit Anbeginn dieses Brauches wurde für die Ansetzung dieses Gebräus die Traditionsbrüder R. Borgardt und Thomas benannt. In diesem Jahre jedoch war es dem Traditionellen Borgardt aus bislang unerfindlichen Gründen nicht möglich, an dieser Auftaktveranstaltung teilzunehmen, so dass der Schützenbruder Tiedemann frei und aufopfernd an seine Stelle trat, um für den Trunk, als auch für den Gral verantwortlich zu zeichnen. Eine bis heute wahrlich kühne und vorbildliche Tat.

Die Stunden des sonnigen Nachmittags vergingen wie im Fluge und auch die Vorfreude der Schützenbrüder stieg von Stunde zu Stunde ins Unermessliche. Dieser Spannung zu entweichend und um ihren Kehlen etwas Gutes zu tun, schenkten die Schützen Tiedemann und Thomas sich und allen anderen reichlich ein. Und so geschah es, dass sie in den frühen Abendstunden den Anschluss an die Truppe verloren und gemeinsam mit dem ebenfalls versprengten Traditionsbruder U. Engelke versuchten, sich alleine bis zum Festplatz im Schützenpark durchzuschlagen. Nach einigen Verschnaufpausen in den am Wegesrand gelegenen Wirtshäusern kamen die drei Glücksritter völlig erschöpft und wohl nicht mehr ganz in Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte, wie Zeitzeugen berichteten, auf dem Festplatz an.

Zu ihrer erstaunten Verwunderung fanden sie die Parkanlage verlassen vor, was sie sich überhaupt nicht erklären konnten. Um aber wenigstens dem Gründer des Schützenparks, August Kohlmann, ihre Verbundenheit und Dankbarkeit spüren zu lassen, beschlossen die drei, dem etwas vernachlässigtem Denkmal des Parkgründers einen Festschmuck in Form eines Nelkenkranzes überzuhängen, welche sie in unmittelbarer Nähe fanden. Nach einigen Anläufen fanden sie die richtige Zusammensetzung und so bildete Schütze Tiedemann das Fundament und Schütze Thomas die Speerspitze der Räuberleiter. Der

Traditionelle Engelke stand Wache. Eigentlich hätte alles gut gehen können und das Denkmal durch die Blumenschmuck in neuem Glanze erstrahlen können, jedoch verließen dem Schützenbruder Tiedemann im entscheidenden Moment die Kräfte, so dass er den in luftigen Höhe befindlichen Kameraden Thomas nicht mehr halten konnte, welcher binnen Sekunden mit samt dem in seiner Hand befindlichen gelben Nelkenkranz rücklings zu Boden stürzte. Es muss schon ein trauriges Bild gewesen sein, welches sich dem Beobachter bot.

Zwei im grünen Rock gekleidete Traditionellen am Boden dreckverschmiert im einem Meer von Blumen vor dem erwürdigen Denkmal des doch so verehrten August Kohlmann.

Und als ob dieses nicht schon Schande genug war, bemerkte nun auch noch der auf Posten stehende Engelke, als wenn der Traditionstrunk auf einmal bei allen Dreien an Wirkung verlieren würde,  dass der Schützenpark keineswegs verlassen war, sondern sich das ganze Batalion zur Vogelrichtfeier in der nahe gelegenen Olympiahalle versammelt hatte. Und zum Pech der drei Unglücklichen wurde das Vorgehen am Denkmal von mehreren hochrangigen Schützen (Hauptmann Hube, Adjudant Ruhsam und Schaffner Wilshusen)  der Gesellschaft bemerkt, welche sich natürlich umgehend zum Ort des Geschehens machten.

Der Rest ist schnell erzählt. Alle drei Täter wurden umgehend vom Platze geworfen und zum Schadensersatz des Kranzes und zur Instandsetzung des Tatorts aufgefordert. Sofort wurde eine Droschke bestellt, welche die drei Kameraden vom Platz beförderte. Jedoch in dieser so finsteren Stunde fanden die Schänder Zuspruch, Unterstützung und sogar Sympathie in der Bevölkerung. So half ihnen der warmherzige Lebensmittelhändler Walter Haekler bei der kostenlosen Restaurierung des Nelkenkranzes und auch die gegenüberliegende italienische Taverne lud zu einem aufmunternden Umtrunk ein.

Gut gestärkt und wieder Lebensmut schöpfend fuhren die drei zurück zum Festplatz. Zu ihrer Verwunderung hatte sich die Wogen des Vorfalls dort keines Wegs gelegt, sondern eher noch aufgebaut. Selbst Forderungen von einigen bis dahin wohl gesonnenen Schützen drangen auf einen Ausschluss der Übeltäter aus der ehrwürdigen Gesellschaft. Um den Diskussionen und einer anstehenden Entscheidung vorzugreifen, beschlossen die Traditionellen Thomas und Tiedemann noch am selben Abend aus der doch so geliebten Traditionsgruppe zu Bremervörde auszutreten, welches sie in schriftlicher Form dem Hauptmann Hube zu später Nacht zustellten.

Jedoch nur einer der drei Glücksritter erreichte unter Begleitung vom östlichen Hauptmann Kock, und dem nun doch wieder aufgetauchten Traditionsbruder R. Borgardt (welcher zweifelsohne durch sein anfängliches Fehlen große Mitschuld an den Vorfälle in diesen Stunden trägt) den hauptmännischen Briefkasten. Die Schützen Engelke und Tiedemann hüteten derweil das Bett. In den folgenden Tagen erfuhren die drei Brüder eine Reihe an Beschimpfungen und Anfeindungen, welche die Sünder jedoch reumütig in bestem Bewusstsein ihrer Tat über sich ergehen ließen.

Und so kam es, dass in den frühen Morgenstunden zum Dienstag, den 18. Juni der Schützenbruder Thomas im Namen seiner beiden Mitstreiter vor den heiligen Kohlmann trat und in aller Form umVergebung bat.

Somit hätte dieser unrühmliche Vorfall in den Analen der gesellschaft für immer verschwinden können, jedoch was sich dann daraus entwickelte ist eine andere Geschichte...